Sara Sadeghi
Einleitung
PROLOG
Alle großen Geschichten wurden aus einem großen Schmerz geboren
Trommelklang steigt in die Luft, mein Herzpuls dessen Pochen.
Eine Stimme zwischen den Takten sagt: „Ich weiß, du bist müde.
Aber komm, das ist der Weg.“
Rumi
Ich hab’ alles auf Rot gesetzt und das Rad hielt bei Schwarz an. Ich hab’ verloren, ging es mir wieder und wieder durch den Kopf. Man sagt: „Pech in der Liebe, Glück im Spiel.“ Doch ist Liebe nicht das Spiel selbst?
Das alte Gedichtbuch auf dem Balkontisch zwinkerte mich an. Ich blätterte darin und blieb bei einem Gedicht von Sohrab Sepehri stehen: „Warum grämst du dich? Du scheinst einsam zu sein.“
„Und wie einsam!“
„Ich vermute, du wirst von jener versteckten Ader der Farben heimgesucht.“
„Heimgesucht zu werden, heißt, zu lieben, und überleg mal, wie einsam der kleine Fisch ist, wenn er von dem Blauen des endlosen Meeres heimgesucht wird.“
„Es gibt immer eine Entfernung, heimgesucht sollten wir werden!“
Im Hintergrund hörte ich den Song Home von Passenger, der mich aus meinem Gedichtbuch herausholte. Heimgesucht und heimsuchend!, ging es mir durch den Sinn. Seufzend fuhr ich mit den Fingern über die gerissenen Seiten, während die letzten Klaviertöne verklangen …
Dann legte ich das Heft zur Seite und schaute gedankenverloren zum Himmel hoch.
Wo fange ich am besten an? Ich schloss die Augen und spürte, wie meine Wangen nass wurden. Der kleine Fisch hat mit viel Mühe das Blaue des endlosen Meeres erreicht und wurde von der Trennung heimgesucht, dachte ich in der Stille meines Herzens und öffnete die Augen wieder.
Der Mond lächelte mich an: Und? Was hat er so erlebt auf dem Weg?
Das Herz seufzte: Es war Bali. Es ist immer Bali. Es war ein Mann. Es ist immer ein Mann. Und es war Liebe. Es ist … immer Liebe. Es war einmal ein Mädchen …
Moment mal!, mischte sich der Verstand ein. So fangen doch nur Märchen an. Meine Geschichte aber ist wahr!
Das Herz dagegen flüsterte: Leben wir nicht alle in jedem Moment unserer Existenz mit einem Fuß im Märchenland und mit dem anderen in einem plastischen Exil; der eine bewusst, der andere unbewusst?
Also noch einmal von vorne. Es war einmal ein Mädchen, das um 1:45 Uhr am Morgen des 16. Februars 1984, im Saadi 2 -Krankenhaus der Stadt Isfahan, im Herzen der Sahara eines islamischen Landes, von den Händen eines christlichen Arztes in die Welt getragen worden war. Seine Eltern nannten es Sara. Die Auswahl des Namens war nicht dem Zufall überlassen worden. Sein Vorname, der aus dem Hebräischen stammte, bedeutete fromm, pur, rein, Prophetin und Prinzessin. Sein Nachname, der arabischer Herkunft war, hieß übersetzt ins Persische, seine Muttersprache: Ehrlichkeit. Somit blieb dem Mädchen keine andere Wahl als die Wahrheit zu sprechen. Und sie war eine Prinzessin: Cinderella. Aber … wie sollte eine ehrliche Prinzessin in einer Welt voller Lügen überleben, gar akzeptiert werden? Denn die Welt, in die sie geboren wurde, war ein finsterer Ort der Grauen, der Ungerechtigkeit und der Heuchelei.
Das Mädchen hatte sich kein leichtes Leben ausgesucht und sorgte alleinig mit seiner Anwesenheit für viel „Unruhe“, ohne dass dies je seine Absicht gewesen wäre. Im Gegenteil: die Botschaft und die Souvenirs, die es der Menschheit mitgebracht hatte, waren Frieden,
Harmonie und Liebe. Doch kaum jemand schien sich noch an den wahren Wert und die Bedeutung jener Mitbringsel zu erinnern. Die Einwohner der Welt, in die es geboren worden war, waren in solch einen tiefen Schlaf gefallen, dass sie sich selbst, ihre Herkunft und die Sprache ihres Herzens vergessen hatten. Mit einem Stift hatten sie Linien auf der Weltkarte gezeichnet, die sie Grenzen nannten und jeder von ihnen glaubte, der Ort, an dem er geboren wurde, sei seine Heimat. Was für eine Illusion! Sie lebten in solch einer Finsternis, dass ihre Augen das Licht nicht mehr gewöhnt waren. Wahrheit drohte ihre Illusion zu zerstören.
Das Mädchen stellte bald fest, dass es sich stark von seinem Umfeld unterschied. So wurde es zum Beispiel als Linkshänder geboren. Doch in dem kleinen Ort, in dem es aufwuchs, galt das als böses Omen.
„Hexen schrieben mit Links!“, wurde ihm gesagt. Und es wurde zu einem Rechtshänder umgeschult. Noch dazu trug es dunkelbraune, stark ondulierte Haare, während die meisten Menschen um es herum glatthaarig waren.
„Hexen trugen Locken!“, riefen die anderen. Und als ob das alles nicht genug gewesen wäre, spielte es auch noch lieber mit den Jungs auf der Straße, anstatt sich mit Puppen zu beschäftigen.
„Du bist ein Mädchen, benimm dich gefällig wie eines!“, wurde ihm von allen Seiten gesagt. Und als es älter wurde, durfte es überhaupt nicht mehr mit den Jungs spielen. Da brach sein kleines Herz in tausend Stücke.
„Es gibt keine Freundschaft zwischen Mann und Frau“, sagten die anderen. Lange Geschichte, kurzer Sinn: Das Mädchen war ein Widerspruch zu allen Regeln der Existenz, so wie sie hier gelebt wurde. Es gefiel seinen Mitmenschen nicht so, wie es geschaffen war. Keiner konnte sich einen Reim aus ihm machen. Jahrelang feilten sie an seinen Ecken und versuchten aus ihm eines von ihnen zu machen. Ohne Erfolg, denn das Mädchen alleine war viel stärker als sie alle zusammen. Es stellte sich gegen sie alle und kämpfte für seine Rechte und Träume, für Gerechtigkeit und Freiheit und … für die Liebe. Gegen die Strömungen zu schwimmen, lag in seiner Natur; schwarzen Fischen ist es nicht möglich, dem Mainstream zu folgen, das würde sie das Leben kosten.
Je älter es wurde, desto mehr Unterschiede entdeckte es zwischen sich selbst und den anderen. Das machte es traurig und es begann, sich infrage zu stellen: Was stimmt bloß nicht mit mir?
Jahrzehnte verbrachte das Mädchen in einem Exil, in einem Widerspruch zwischen seiner inneren Welt und der äußeren Welt. Sein Erdenleben wurde zu einem Gang durch die Finsternis, aber es gab nicht auf. Trotz des Sturms und der einsamen Tage, blieb sein Herz stets hoffnungsvoll und zuversichtlich: Wenn du Böses mit Gutem vergeltest, dir selbst treu bleibst, deine Mitmenschen so behandelst, wie du selbst behandelt werden willst und dich tapfer schlägst, wirst du eines Tages deinen Prinzen treffen und dein Traum von einem glücklichen, friedvollen Leben wird in Erfüllung gehen. Und das Mädchen gehorchte seinem Herzen, so gut es ihm möglich war. Bis es eines Tages im Herzen der Reisfelder den Frosch traf und ihn küsste. Der Lurch verwandelte sich in einen Prinzen, weckte das Mädchen aus seinem Dornröschenschlaf und verbannte es in Alices Wunderland.
Dieses Mädchen bin ich und das ist meine Geschichte.
Hör dir die Geschichte der Trennung des Schilfs an:
Seit ich von der Moorwiese abgeschnitten bin,
habe ich diesen heulenden Klang.
Jeder, der von seinem Geliebten fern ist,
versteht, was ich sage.
Jeder, der von dem Quell getrennt wurde, will dahin zurück.
Rumi
Sara Sadeghi
Coaching & Energiearbeit
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